Korkenpüppchen

Bundesteilhabegesetz: seit 2020 ist die Eingliederungshilfe mehr Menschen zugänglich

Bei den Regelungen des Bundesteilhabegesetzes tritt 2020 die dritte Reformstufe in Kraft. Ab 2020 wird die bisherige Eingliederungshilfe aus dem Sozialhilfesystem herausgelöst. Der Gesetzgeber überführt dazu die einzelnen Leistungen vom SGB XII in das neue Sozialgesetzbuch IX, Teil 2. Damit sind die einzelnen Leistungen des Teilhabegesetzes nicht mehr an die Einkommens- und Vermögensgrenzen der Sozialhilfe des SGB XII gebunden. Außerdem stehen die Leistungen der Eingliederungshilfe ab 2020 auch erwerbsfähigen Menschen mit Behinderung offen. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden damit ab 2020 schlagartig für einen größeren Personenkreis zugänglich. Allerdings wird je nach Höhe des Einkommens auch ein Eigenanteil erhoben.

In vorherigen Beiträgen haben wir hier über die seit 2018 geltenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und der sozialen Teilhabe geschrieben. In diesem Beitrag geht es um die Verbesserungen der Regelungen zu Einkommen und Vermögen, den aufzubringenden Eigenanteil, die Leistungen zur Teilhabe an Bildung und die Regelungen zum Poolen bestimmter Leistungen, die sogeannnte „gemeinschaftliche Inanspruchnahme“.


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2020 bringt Verbesserungen, aber auch Nachteile

Mit der dritten Reformstufe ab 2020 werden mehr Menschen Anspruch auf die Eingliederungshilfe haben. Auch bei der Teilhabe an Bildung wird es Verbesserungen gegenüber den bisherigen Möglichkeiten geben. Allerdings treten auch Regelungen in Kraft, die 2017 bei der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes für erbitterte Diskussionen gesorgt haben: beispielsweise das Poolen von Leistungen und der Eigenanteil, den Antragsteller für die Leistungsgewährung aufbringen müssen.

Neue Vermögensgrenze ohne Einbezug des Partners

Für alle Antragsteller der Eingliederungshilfe, die nicht auf Grundsicherung oder Hilfe zur Pflege angewiesen sind, ergibt sich eine Verbesserung bei der Vermögensgrenze:

  • Die Vermögensgrenze steigt für den Antragsteller ab 2020 auf ca. 56000€. Das Vermögen des Partners wird nicht mehr herangezogen. Wer Teilhabeleistungen beantragt, darf also selbst nicht mehr als ca. 56000€ Vermögen besitzen.
  • Wer jedoch auf Grundsicherung angewiesen ist, muss sich an die bisherige Vermögensgrenze halten.

Änderungen beim Einkommen und Eigenanteil

Bezüglich der Anrechnung von Einkommen ergeben sich Änderungen für Antragsteller, die nicht auf Grundsicherung angewiesen sind:

  • Das Einkommen des Partners ist für diese Personengruppe ab 2020 nicht mehr relevant. Nur auf das Bruttoeinkommen des Antragstellers kommt es an.
  • Wer Eingliederungshilfe erhält, hat einen monatlichen Eigenanteil zu leisten, der vom Bruttoeinkommen (laut Steuerbescheid) des Antragsstellers abhängt.

Eigenanteil ermitteln? Als Faustregel gilt: Die Summe der Einkünfte bis etwa 32000 Euro (bei Sozialversicherungspflichtig-Beschäftigten) jährlich bleibt frei, von übersteigenden Einkünften fällt ein Eigenbeitrag in Höhe von 2 % (monatlich) bzw. 24 % (jährlich) dieser Summe an. Eine individuelle Berechnung bietet der Verein Nitsa hier online an: http://nitsa-ev.de/service/recht/bthg-faq/#Aenderungen2020. Bei einem Bruttoeinkommen von 40000€ liefert der Rechner für 2019 eine alleinstehende Person einen Eigenanteil zur Eingliederungshilfe von monatlich 160€.

  • Wer Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege erhält, für den gilt das sogenannte Lebenslagenmodell. Diese Modell unterscheidet, ob die Behinderung vor oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze eingetreten ist. Im ersten Fall (Eintritt vor Regelaltersgrenze) gelten für Einkommen und Vermögen die Regelungen der Eingliederungshilfe. Im zweiten Fall (Eintritt nach Regelaltersgrenze) richtet sich die Hilfe zur Pflege nach den Regelungen der Sozialhilfe.

Poolen (Teilen) von Leistungen: gemeinsame Inanspruchnahme

Ab 2020 wird es Leistungen geben, die mit anderen geteilt werden müssen bzw. die gleichzeitig an mehrere Leistungsberechtigte erbracht werden können. Das wären zum Beispiel:

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  • Beförderung mit einem Fahrdienst
  • Begleitung bei der Erledigung von Einkäufen
  • Gemeinsame Inanspruchnahme von Nachtwachen
  • Integrationshelfer in Schulen
  • Assistenzleistungen, die im Zusammenhang mit dem Wohnen stehen, dürfen im Bereich

der Gestaltung sozialer Beziehungen und der persönlichen Lebensplanung nur mit Einverständnis der Leistungsberechtigten gemeinsam erbracht werden.

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Teilhabe an Bildung: schulische Ausbildungen und Studium bis zur Promotion

Bereits 2018 wurde in der Eingliederungshilfe das Recht auf Bildung festgelegt. Ab 2020 wird dieses Recht auf Bildung ausgeweitet. Nun umfasst die Eingliederungshilfe auch den Bereich der schulischen und hochschulischen beruflichen Weiterbildung (u.a. Masterstudiengänge):

  • Unterstützungsleistungen auch für den Besuch weiterführender Schulen
  • Zweitstudium oder Masterstudium nach zeitlicher Unterbrechung und
  • eine allgemeine Härtefallklausel in den Bereich der Eingliederungshilfe.

Selbstverständlich gelten auch hier die oben genannten Regelungen für Einkommen und Vermögen.

Hier ein Überblick über unsere weiteren Beiträge zum Bundesteilhabegesetz:

Bundesteilhabegesetz: die wichtigsten Veränderungen 2017, 2018 und 2020
Bundesteilhabegesetz: Persönliche Assistenz und die Antragstellung
Bundesteilhabegesetz: Leistungen zur Mobilität
Bundesteilhabegesetz 2018: Leistungen zur Beschäftigung
Bundesteilhabegesetz 2017-2019: Einkommens- und Vermögensgrenzen für Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege
Behindertenparkplatz: Teilhabegesetz passt Voraussetzungen für aG an

Über Jochen Radau

Studium der Sozialpädagogik in Würzburg und Studium der Medizintechnik in Ulm, seit 20 Jahren psychosozialer Berater bei der DMSG im Landesverband Bayern, dort auch Onlineberater. Betreiber und Redakteur dieses und weiterer Blogs zu den Themen Schwerbehinderung und Pflegeversicherung. Weiterqualifikationen in systemischer Beratung und vielen Themen des Sozialrechts.