Titelbild Kommunikation

Pflegegrade: NBA-Begutachtung, Modul 2: kognitive und kommunikative Fähigkeiten

In der Pflegeversicherung wurden 2017 die Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt.  Dieser Beitrag befasst sich mit der Einschätzung kognitiver und kommunikativer Fähigkeiten bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit, welche ein Teil des Neuen Begutachtungsaccessments (NBA) der Pflegeversicherung sind.

Im vorherigen Beitrag Pflegegrade: NBA-Begutachtung, Modul 1: Mobilität haben wir beschrieben, wie seit 2017 die Pflegebedürftigkeit bestimmt wird und wie das erste Modul Mobilität aufgebaut ist. Jetzt geht es um die Beschreibung der Begutachtung für Modul 2.


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Modul 2: kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Mit der Einschätzung der Fähigkeiten im Bereich Kognition und Kommunikation soll vorallem der Pflegebedarf von an Demenz erkrankten Menschen erfasst werden können. Und auch Einschränkungen einzelner neurologischer Erkrankungen können damit besser erfasst werden.

Die einzelnen Punkte dieses Moduls zu den kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten sind erklärungsbedürftig. Bei der Begutachtung wird der MDK-Gutachter unserer Einschätzung nach dringend auf die Einschätzung und Informationen der Angehörigen angewiesen sein, denn innerhalb der vorgegebene Zeit können gerade bei kognitiven Defiziten des befragten Pflegebedürftigen viele dieser Bereiche nicht richtig eingeschätzt werden. Die Punkte 2.1 bis 2.8 beziehen sich eher auf kognitive Einschränkungen, während bei den Punkten 2.9 bis 2.11 vor allem Sprach- und Hörstörungen beachtet werden müssen.

kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Punkte abhängig vom Ausmaß der Fähigkeiten
2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten vorhanden größtenteils vorhanden in geringem Maße vorhanden nicht vorhanden
2.1.Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld 0 1 2 3
2.2 Örtliche Orientierung 0 1 2 3
2.3 Zeitliche Orientierung 0 1 2 3
2.4 Erinnern an wesentliche Ereignisse und Beobachtungen 0 1 2 3
2.5 Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen 0 1 2 3
2.6 Treffen von Entscheidungen im Alltag 0 1 2 3
2.7 Verstehen von Sachverhalten und Informationen 0 1 2 3
2.8 Erkennen von Risiken und Gefahren 0 1 2 3
2.9 Mitteilen von elementaren Bedürfnissen 0 1 2 3
2.10 Verstehen von Aufforderungen 0 1 2 3
2.11 Beteiligen an Gesprächen 0 1 2 3

Im Gegensatz zu den meisten anderen Modulen wird hier das Vorhandensein der abgefragten Fähigkeit eingeschätzt.

vorhanden
Die Fähigkeit ist (nahezu vollständig) vorhanden.
größtenteils vorhanden
Die Fähigkeit ist in den meisten Situationen/die meiste Zeit über vorhanden. Es bestehen Schwierigkeiten höhere oder komplexe Anforderungen zu bewältigen.
in geringem Maße vorhanden
Die Fähigkeit ist stark beeinträchtigt, aber erkennbar vorhanden. Häufig oder in vielen Situationen bestehen Schwierigkeiten. Es sind Ressourcen vorhanden, die Person kann aber nur geringe Anforderungen bewältigen.
nicht vorhanden
Die Fähigkeit ist nur sehr selten vorhanden.

Bezogen auf die einzelnen Fähigkeiten bedeutet das

2.1 Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld

Dies bezieht sich auf das Wiedererkennen von Menschen, zu denen im Alltag regelmäßig ein direkter Kontakt besteht:

  • Familienmitglieder
  • Nachbarn
  • Pflegekräfte
vorhanden
Die Fähigkeit ist (nahezu vollständig) vorhanden.
größtenteils vorhanden
Menschen werden erst nach einer längeren Zeit des Kontaktes, z.B. im Rahmen eines Gesprächs erkannt. Oder es bestehen in regelmässigen Abständen Schwierigkeiten vertraute Personen zu erkennen.
in geringem Maße vorhanden
Vertraute Personen werden nur selten erkannt oder dies ist von der Tagesform abhängig.
nicht vorhanden
Auch Familienmitglieder werden nicht oder nur ausnahmsweise erkannt.

2.2 Örtliche Orientierung

Damit ist die Fähigkeit gemeint, sich in der räumlichen Umgebung zurechtzufinden, andere Orte gezielt anzusteuern und zu wissen, wo man ist.

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vorhanden
Es kann die Frage, in welcher Stadt, auf welchem Stockwerk und gegebenfalls in welcher Einrichtung die Person lebt, richtig beantwortet werden. Regelmässig genutzte Räume in der eigenen Wohnung werden erkannt. Auch die außerhäusliche Umgebung ist bekannt und die Person kann sich dort zurechtfinden.
größtenteils vorhanden
Es bestehen Probleme, sich in der außerhäuslichen Umgebung zurechtzufinden. In der Wohnung kommt die Person sehr gut zurecht. Ein Kind kann z.B. dem Gutachter sein eigenes Zimmer oder das Badezimmer zeigen.
in geringem Maße vorhanden
Es gibt Probleme, sich in der gewohnten Wohnumgebung zurechtzufinden. Regelmässig genutzte Räume und Wege werden dort nicht immer erkannt.
nicht vorhanden
 Es besteht regelmässiger Hilfebedarf beim Zurechtfinden im eigenen Wohnbereich.

 

2.3 Zeitliche Orientierung

Dieser Bereich betrifft zeitliche Strukturen:

  • Uhrzeit
  • Tageszeiten (Vormittag, NAchmittag, Abend …)
  • Jahreszeiten
  • zeitliche Abfolge des eigenen Lebens

Bei der Begutachtung wird nach der Jahreszeit, dem Tag, dem Jahr usw. gefragt.

vorhanden
Alle Fragen nach der zeitlichen Orientierung werden ohne nennenswerte Fehler richtig beantwortet. Ein Kind kann die Uhr lesen und Jahreszeiten und Monate richtig aufzählen.
größtenteils vorhanden
Eine Person ist meistens zeitlich korrekt orientiert und hat Schwierigkeiten die Tageszeit ohne Uhr und Lichtverhältnisse zu bestimmen. Ein Kind kann die Wochentage benennen und kann Uhrzeiten mit bestimmten Ereignissen verbinden, z.B. eine Fernsehsendung mit der Uhrzeit kobinieren.
in geringem Maße vorhanden
Eine zeitliche Orientierung ist meistens nur ansatzweise vorhanden und kann die Tageszeit auch mit Uhr und Lichtverhältnissen meistens nicht bestimmen. Ein Kind versteht nur einfache Zeitangaben, z.B. morgens, mittags, abends, ein paar Minuten.
nicht vorhanden
Eine zeitliche Orientierung ist kaum oder nicht vorhanden.

2.4 Gedächtnis

Der Bereich Gedächtnis betrifft die Funktion des Erinnerns an:

  • kurz zurückliegende Ereignisse (z.B. das Frühstück, die Beschäftigung am Vormittag)
  • länger zurückliegende Ereignisse (z.B. Geburtsort, Berufstätigkeit)

Bei Kindern betreffen die Fragen zu den länger zurückliegenden Ereignissen einen Zeitraum von Tagen und Wochen, aber auch den Namen und die Adresse. Bei Erwachsenen zielen die Fragen nach länger zurückliegenden Ereignissen auf einen Zeitraum der zurückliegenden Jahre.

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vorhanden
Alle Fragen nach zurückliegenden Ereignissen werden ohne nennenswerte Fehler richtig beantwortet. Kinder nennen auch den Namen und die Adresse richtig.
größtenteils vorhanden
Bei Fragen nach kürzer zurückliegenden Ereignissen muß die Person etwas länger nachdenken, es bestehen Schwierigkeiten sich daran zu erinnern. Länger zurückliegende Ereignisse können ohne größere Probleme abgerufen werden. Ein Kind kann logisch und zeitlich richtig erzählen, was es am Tag erlebt hat, kann aber seine Adresse nicht nennen.
in geringem Maße vorhanden
Kurz zurückliegende Ereignisse werden häufig vergessen, wichtige länger zurückliegende Ereignisse sind präsent. Ein Kind kann Gegenstände finden, die vor seinen Augen versteckt worden sind, es versucht Erlebnisse zu erzählen.
nicht vorhanden
Die Person kann sich nicht oder nur selten an Ereignisse, Dinge und Menschen aus seiner Vergangenheit erinnern.

2.5 Mehrschrittige Alltagshandlungen ausführen

Der Bereich betrifft die Fähigkeit alltägliche Alltagshandlungen in der richtigen Reihenfolge ausführen und abschließen zu können. Beispielsweise wird damit erfasst, ob sich ein Erwachsener selbst komplett ankleiden könnte oder ein Kleinkind einen Turm aus zwei Bauklötzen bauen könnte.

vorhanden
Alle Schritte der Alltagshandlung werden selbstständig und in der richtigen Reihenfolge getätigt oder gesteuert, so daß das Ziel erreicht wird.
größtenteils vorhanden
Mit einer gelegentlichen Erinnerungshilfe ist die Person in der Lage die Handlung selbstständig durchzuführen.
in geringem Maße vorhanden
Einzelne, notwendige Handlungsschritte werden vergessen, oder die Reihenfolge der Schritte wird verwechselt. Es bestehen erhebliche Schwierigkeiten und hoher Anleitungsbedarf.
nicht vorhanden
Alltagshandlungen mit mehreren Schritten werden nicht begonnen oder nach ersten Versuchen beendet.

2.6 Entscheidungen im Alltagsleben treffen

Der Punkt bezieht sich auf das Treffen alltäglicher Entscheidungen:

  • Auswahl von dem Wetter angemessener Kleidung
  • Einkaufen.
  • Einer Freizeitbeschäftigung nachgehen.
  • Freunde oder Verwandte anrufen.
  • Bei Kindern: ein Nahrungsmittel zum essen auswählen, Entscheidung für die Auswahl eines Spiels treffen.
vorhanden
Auch in unbekannten Situationen wird die richtige Entscheidung getroffen, z.B. beim Ungang mit fremden Personen, die an der Türe klingeln.
größtenteils vorhanden
In unbekannten Situationen bestehen Schwierigkeiten, in zuvor besprochenen Situationen oder Alltagsroutinen können sicher Entscheidungen getroffen werden.
in geringem Maße vorhanden
Getroffene Entscheidungen sind nicht geeignet ein Ziel zu erreichen oder Bedürfnisse zu befriedigen (z.B. Kleidungswahl nicht dem Wetter angepasst, oder die Person möchte das Haus trotz fehlender räumlicher Orientierung nicht verlassen). Oder auch mit Anleitung können keine Entscheidungen getroffen werden.
nicht vorhanden
Auch mit Unterstützung können Entscheidungen nicht getroffen oder vorgeschlagene Möglichkeiten nicht ausgesucht werden.

2.7 Verstehen von Sachverhalten und Informationen

Hier geht es um die Fähigkeit, alltägliche Situationen, Ereignisse oder schriftliche und münliche Informationen aufzunehmen und richtig zu deuten. Beispiele:

  • die Fähigkeit, zu erkennen, in welcher bestimmten Situation man sich befindet
    • Aktivitäten mit anderen Menschen
    • Versorgung durch eine Pflegekraft
    • MDK-Begutachtung
  • Fahigkeit Informationen aus den Medien aufzunehmen und inhaltlich zu verstehen
    • Fernseher, Tageszeitung
  • Bei Kindern geht es um die Fähigkeit, sich in einer bestimmten Situation zurechtzufinden, zu beurteilen und zu verstehen, z.B.:
    • Spiel mit anderen Kindern
    • Spielregeln verstehen und einhalten
vorhanden
Sachverhalte und Informationen aus dem Alltag werden ohne nenneswerte Probleme verstanden. Bei Kindern entspricht das der Regelschulfähigkeit.
größtenteils vorhanden
Einfache Sachverhalte und Informationen aus dem Alltag können nachvollzogen werden, bei komplizierten gibt es Probleme. Bei Kindern orientiert man sich z.B. am Verständnis für Spielregeln.
in geringem Maße vorhanden
Das Verständnis hängt stark von der Tagesform ab oder einfache Informationen können häufig erst verstanden werden, wenn sie erklärt wurden. Bei Kindern Bei Kindern orientiert man sich auch hier z.B. am Verständnis für Spielregeln.
nicht vorhanden
Die Person kann nicht äußern (verbal oder nonverbal), dass sie Informationen verstanden hat.

 

2.8 Risiken und Gefahren erkennen

Bezogen auf die häusliche und außerhäusliche Umgebung sind folgende Risiken und Gefahren gemeint:

  • Strom- und Feuerquellen
  • Hindernisse auf dem Fußboden/Fußweg
  • problematische Bodenbeschaffenheit (Glätte, nasses Kopfsteinpflaster …)
  • stark befahrene Straßen, Baustellen
vorhanden
Risiken und Gefahren werden im Alltag ohne Weiteres erkannt.
größtenteils vorhanden
Risiken und Gefahren in der häuslichen Umgebung werden im Alltag ohne Weiteres erkannt. In ungewohnter Umgebung oder außerhalb der Wohnung bestehen Probleme Risiken zu erkennen.
in geringem Maße vorhanden
Risiken und Gefahren in der häuslichen Umgebung werden im Alltag häufig nicht erkannt.
nicht vorhanden
Risiken und Gefahren werden so gut wie gar nicht erkannt.

 

2.9 Mitteilung elementarer Bedürfnisse

Hier geht es um das Äußern (verbal oder nonverbal) von Bedürfnissen wie

  • Hunger, Durst
  • Schmerz
  • Frieren
  • Erschöpfung
vorhanden
Elementare Bedürfnisse können verbal oder nonverbal geäußert werden.
größtenteils vorhanden
Eine gezielte Frage nach Bedürfnissen kann beantwortet werden, die Person äußert dies aber nicht immer von sich aus. Ein Kind kann Wünsche bereits ohne Schreien deutlich machen.
in geringem Maße vorhanden
Elementare Bedürfnisse sind nur aus nonverbalen Äußerungen, wie Mimik, Gestik, Lauten, ableitbar. Gegebenfalls erst nach Stimulation. Oder die Person muß dazu ständig angeleitet werden, kann aber Zustimmung oder Ablehnung deutlich machen.
nicht vorhanden
Elementare Bedürfnisse werden nicht oder nur sehr selten geäußert, es wird keine Eigeninitiative gezeigt und es erfolgt keine deutbare Reaktion.

Wie das Pflegegeld und die Pflegesachleistungen innerhalb der Pflegegrade verteilt sind haben wir in dem Beitrag Pflegegeld 2017: Pflegegrade lösen Pflegestufen ab beschrieben.

2.10 Verstehen von Aufforderungen

Hier geht es um das Verstehen alltäglicher Aufforderungen, zu alltäglichen Tätigkeiten

  • essen, trinken
  • kleiden
  • beschäftigen
vorhanden
Aufforderungen und Bitten zu alltäglichen Grundbedürfnissen werden ohne weiteres verstanden.
größtenteils vorhanden
Aufforderungen und Bitten zu alltäglichen Grundbedürfnissenwie z.B. „Setz dich bitte an den Tisch“ oder „Prosit!“ werden verstanden, beziehen sie sich auf nicht alltägliche Situationen, dann müssen sie erklärt werden. Gegebenfalls sind besonders deutliche Ansprache, Schrift, Gebärden oder Wiederholungen erforderlich.
in geringem Maße vorhanden
Aufforderungen und Bitten werden meist nicht verstanden, wenn sie nicht wiederholte Male geäußert und erläutert werden. Das Verständnis ist tagesformabhängig. Gegenüber nonverbalen Aufforderungen, z.B. Berührungen oder Geleiten an den Tisch zeigt die Person Zustimmung oder Ablehnung.
nicht vorhanden
Anleitung oder Aufforderung werden nicht oder kaum verstanden.

2.11 Beteiligen an einem Gespräch

Bild KommunikationDies bezieht sich auf die Fähigkeit, in einem Gespräch die Inhalte aufzunehmen, sinngemäß zu verstehen und das Gespräch weiterzuführen.

vorhanden
Die Person kommt gut in Einzelgesprächen und in kleinen Gruppen zurecht. Sie zeigt Eigeninitiative und Interesse im Gespräch und beteiligt sich. Die Äußerungen passen zum Gesprächsinhalt.
größtenteils vorhanden
Die Person kommt gut in Einzelgesprächen gut zurecht, in kleinen Gruppen ist sie meist überfordert und verliert den Faden. Gegebenefalls treten regelmässig Wortfindungsstörungen auf. Die Person ist häufig auf besonders deutliche Ansprache oder Wiederholung angewiesen.
in geringem Maße vorhanden
Die Person kann auch in einem Einzelgespräch kaum folgen oder sich nur wenig mit einzelnen Worten beteiligen. Sie zeigt wenig Eigeninitiative, reagiert aber auf Ansprache oder Fragen nur mit wenigen Worten, z.B. ja oder nein. Die PErson weicht inj der Regel vom Gesprächsinhalt ab oder es besteht leichte Ablenkbarkeit durch Umgebungseinflüsse.
nicht vorhanden
Ein Gespräch, das über einfache Mitteilungen hinausgeht, ist auch nonverbal kaum oder nicht möglich.

Quelle: Das neue Begutachtungsinstrument zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit, GKV-Schriftenreihe

Über Jochen Radau

Studium der Sozialpädagogik in Würzburg und Studium der Medizintechnik in Ulm, seit 20 Jahren psychosozialer Berater bei der DMSG im Landesverband Bayern, dort auch Onlineberater. Betreiber und Redakteur dieses und weiterer Blogs zu den Themen Schwerbehinderung und Pflegeversicherung. Weiterqualifikationen in systemischer Beratung und vielen Themen des Sozialrechts.